Brauchen wir noch Anschreiben?

23 September 2022
HR
Recruitment

“Bitte bewerben Sie sich mit Ihren aussagekräftigen und vollständigen Bewerbungsunterlagen (Anschreiben, Lebenslauf, Zeugnisse/Zertifikate)”


Sätze wie diesen sind keinen Seltenheit unter Jobinseraten.  

Viele Unternehmen und Arbeitsuchende stellen sich immer öfter die Frage: 

Benötige ich noch ein Anschreiben?


Gerade in Zeiten von Fachkräftemangel benötigen Unternehmen oftmals schnell qualifizierte Mitarbeiter und möchten die Hürden für eine Bewerbung so gering wie möglich halten. Denn ein gutes Anschreiben bedarf Recherche und Zeit zum Verfassen und hindert Kandidaten, sich zu bewerben.


Es gibt auch immer noch einige gute Gründe, warum ein Anschreiben gerne noch gesehen wird. 


Man sollte sich gerne die Frage stellen, was ein gutes Anschreiben ausmacht. Denn eine Zusammenfassung des eigenen Werdegang bietet keinen Mehrwert, da Personalverantwortliche sich diese Informationen aus dem Lebenslauf einfach entnehmen können. Auch eine Zusammenfassung der Stichpunkte aus der Tätigkeitsbeschreibung bietet nicht den ausschlaggebenden Faktor. Auch viel gesehen ist eine Zusammenfassung der Unternehmenswerte, die Kandidaten sich von der Karriereseite kopiert haben. All diese Punkte machen ein Anschreiben überflüssig und rauben sowohl Personalverantwortlichen als auch Bewerbern viel Zeit. 

Anschreiben werden daher auch gerne als Motivationsschreiben bezeichnet, um genauer die Intentionen hinter einer Bewerbung eines Kandidaten zu erfahren. 


Oftmals reichen allein die Lebensläufe vieler Kandidaten nicht aus, um einen Arbeitgeber zu überzeugen. Und genau hier kann ein Motivationsschreiben helfen. Es kann auch als eine Chance gesehen werden, dass Kandidaten zusätzlich qualifiziert. 


Ein Anschreiben bietet Platz für Informationen, die nicht offensichtlich sind. Beispielsweise können Wechselintentionen beschrieben werden. Oder es bietet Raum für Ehrlichkeiten oder Persönlichkeiten. Beispielsweise können Kandidaten hervorheben, dass sie gute Führungsqualitäten besitzen und diese in einer neuen Position stärker fokussieren möchten. Oder dass sie besonders teamfähig oder Frühaufsteher sind und daher gernen einen frühen Arbeitsbeginn präferieren. 


Weitere Informationen, die nicht aus dem Lebenslauf entnommen werden können, sind zum Beispiel die Gründe eines Quereinstiegs. Ein Bewerber, der im Bereich Marketing arbeitet und jetzt in den Vertrieb wechseln möchte, kann das Anschreiben nutzen, um die Gründe für den Wechsel zu verdeutlichen. 


Auch Gründe, wie die Lust ein neues Unternehmen kennenzulernen, da bereits eine lange Betriebszugehörigkeit beim aktuellen Arbeitgeber besteht oder Downshifting, also die bewusste Entscheidung, eine Position runter zu gehen, können so genauer beschrieben werden. Und das sind gute Gründe, die Personalverantwortlichen ein besseres Verständnis geben, warum ein Kandidat / eine Kandidatin sich auf eine Stelle bewerben möchte. 


In solchen Fällen macht Anschreiben durchaus Sinn.

Doch wann ist Anschreiben nicht mehr notwendig?


Wenn Lebenslauf und Stellenbeschreibung gut matchen, kann ein Anschreiben gerne weggelassen werden. Viele Unternehmen bieten über die eigene Karriereseite auch vorgefertigte Felder an, in denen Fragen beantwortet werden können, die Personalverantwortlichen helfen, Kandidaten besser einzuschätzen. 


Läuft die Bewerbung über Personalvermittler, sind Anschreiben ebenfalls nicht nötig. 

Denn Personalvermittler, Headhunter und Dienstleister agieren quasi als Sprachrohr zwischen Unternehmen und Kandidaten. 

Für Bewerber ist dieser Weg durchaus praktikabel, da Personalvermittler quasi die Arbeit des Erstkontakts übernehmen.



Für Bewerber, die bewusst auf der Suche nach einer neuen Stelle sind oder gerne ein neues Unternehmen wechseln möchten, ist das Anschreiben eine sehr gute Möglichkeit, um sich bei Personalverantwortlichen besser zu positionieren. Die Chance, zu einem Erstgespräch eingeladen zu werden, kann ebenfalls deutlich gesteigert werden. 


Arbeitgeber, die bewusst auf Anschreiben verzichten, riskieren, dass ihnen gute Talente gar nicht auffallen, weil der Lebenslauf auf den ersten Blick nicht 100%ig mit der Stellenbeschreibung matcht. Aber dennoch erhalten Arbeitgeber gegebenenfalls auch eine höhere Anzahl an Bewerbungseingängen, da eine zeitintensive Hürde den Bewerbern genommen wird. 


Bewerbungsportale bieten einen guten Zwischenweg, das klassische Anschreiben zu umgehen und gezielt Fragen an Bewerber zu richten, die Personalverantwortlichen helfen, ein klareres Bild über einen Kandidaten zu erhalten. Ebenso ist der Weg über Personalvermittler ein praktikabler Weg, der Kandidaten und Arbeitgebern durchaus viel Zeit in der Kandidatenauswahl sparen kann.